Ein
Fünftel des gesamten Energiebedarfs der Erde werden durch Wasserkraft
gedeckt, wobei ein Großteil dieser Leistung von den weltweit etwa 45.000
Großdämmen erzeugt wird. China, das die größten Wasserressourcen zur
Erzeugung von Strom hat, stellt mit ungefähr 20.000 Staudämmen das
Zentrum der Dammbauindustrie dar. Dann folgen die USA, sowie Russland und
Norwegen.
Obwohl Wasserkraft als die umweltfreundliche Form der Energieerzeugung
schlechthin gilt, haben Riesenprojekt neben ihren Vorteilen oft auch viele
negative Seiten, die hier am Beispiel des Drei-Schluchten-Projekts
aufgezeigt werden sollen.
1.
Allgemeines zum Drei-Schluchten-Projekt
Der geplante Drei-Schluchten-Damm in China stellt das bisher größte
Staudamm- bzw. Infrastrukturprojekt in der Geschichte der Menschheit dar.
In einer geplanten Bauzeit von 17 Jahren, soll am Jangtse, in der Nähe
der Stadt Yichang am Ende der famosen Naturlandschaft der „Drei
Schluchten“, ein Staudamm von noch nie da gewesener Größe errichtet
werden. Mit einer Höhe von 185m (entspricht einem 60-stöckigem
Hochhaus), einer Länge von etwa 2300m und einer Breite von 300m wird
diese Kraftwerksanlage zwar nicht die höchste oder längste der Welt sein
(Itaipú Binaciaonal), das durch den Wall aufgestaute Wasserreservoir
hingegen wird weltweit von keinem anderen Werk übertroffen. Die Fläche,
die dieser gewaltige Stausee bedecken wird, beträgt 6900 km2
Allein die Dimension der Staumauer des Drei-Schluchten-Kraftwerks lässt
erahnen, wie sehr dieses Projekt in die Natur und das Leben der Menschen
in dieser Region eingreifen wird – Proteste von vielen Seiten, besonders
von Umweltorganisationen, sind eine logische Folge.
2.
Geschichte des Drei-Schluchten-Damms
2.1
Erste Planungsphase
Erste Überlegungen, den Jangtse mit Hilfe eines Staudammes zu
„bezwingen“, wurden bereits Ende des 19. Jahrhunderts von Sun Yat-sen,
dem Begründer der chinesischen Republik, geäußert. Durch den Zerfall
dieser gerieten die Ideen des Dammbaus zunehmend in Vergessenheit und
wurden erst 1944 von einem Spezialistenteam des US Bureau of Reclamation (US Behörde für
Landgewinnung) wieder aufgenommen.
Der chinesische Bürgerkrieg bedeutete eine abermalige Verwerfung der
Staudammpläne, erst nach einer verheerenden Hochwasserkatastrophe Mitte
der 50er kam die Aufstauung des Jangtse wieder ins Gespräch. Unterstützt
wurden die Chinesen hierbei vor allem von der Sowjetunion, doch da diese
nach dem chinesisch-sowjetischen Bruch (1960), ihre Berater und Fachkräfte
vom Staudammprojekt zurückzog, war eine Verzögerung unausweichlich. Erst
nach der darauffolgenden 10-jährigen Kulturrevolution, wurde das Projekt
vom Ministerium für Wasserressourcen und Elektrizität wieder
aufgegriffen.
2.2
Die entscheidende Planungsphase
Die entscheidende Wende zugunsten des Drei-Schluchten-Damms kam 1988,
als Li Peng zum chinesischen Ministerpräsident wurde. Peng, der selbst in
Russland Elektrotechnik studiert hatte, hatte einen großen Anteil daran,
dass der Nationale Volkskongress 1992 grünes Licht für den Bau des
Drei-Schluchten-Damms gab (immerhin zwei Drittel der Abgeordneten stimmten
dafür).
1994
begann der Bau eines künstlichen Seitenarms des Jangtse, die 1. Bauphase
am Drei-Schluchten-Damm. Schon drei Jahre später, am 8. November 1997,
konnte der Oberlauf des Flusses abgesperrt werden und in den genannten
Seitenkanal umgeleitet werden. Dies war der Startschuss für die 2.
Bauphase, dem Bau der eigentlichen Staumauer.
3.
Mögliche Vorteile des Drei-Schluchten-Damms
3.1 Verhinderung von Hochwasser und Überschwemmungen
Das Problem des Hochwassers gehört in China, insbesondere im
Einzugsgebiet des Jangtse, zum alltäglichen Leben. Immer wieder werden
die Gebiete um den längsten Fluss Asiens von zerstörerischen Flutwellen
heimgesucht, besonders erwähnenswert sind hier zwei Jahrhundertfluten aus
jüngster Vergangenheit.
3.1.1 Die
größten Katastrophen
Mitte der fünfziger Jahre, als der Jangtse nach zweimonatigen Regenfällen
endgültig aus den Ufern trat, wurde China von der wahrscheinlich größten
Hochwasserkatastrophe der Geschichte heimgesucht. Neben der fast
unglaublichen Anzahl von 35.000 Todesopfern, war auch die Überschwemmung
und Zerstörung von umgerechnet drei Millionen Hektar Land zu beklagen.
Das Hochwasser vom August 1998 forderte zwar „nur“ 3.000 Tote, die
Sachschäden hingegen überstiegen alle bisherigen Dimensionen: über 20
Millionen Hektar zum Teil besten Ackerlandes und fünf Millionen Häuser
wurden vollkommen zerstört. Die direkten Kosten dieser Katastrophe
beliefen sich letztlich auf weit mehr als 20 Milliarden €.
3.1.2
Mögliche Lösung durch den Damm
Der Stausee des Drei-Schluchten-Damms kann eine gewaltige Menge an Wasser
speichern und somit die saisonal unterschiedliche Wassermenge (z.B.
Hochwasser nach schneereichem Winter in Tibet) sammeln und dann
kontrolliert, langsam abgeben. Damit können Flutereignisse gemildert oder
zum Teil ganz verhindert werden – ein Grund, der für den Bau vieler
chinesischer Dämme ausschlaggebend war.
3.1.3
Bedenken und Gefahren
Trotzdem bedeutet der Drei-Schluchten-Damm kein Allheilmittel gegen
Flutkatastrophen: Gegen außergewöhnlich starke Hochwässer kann auch ein
Damm von solcher Größe nichts ausrichten. Laut eines Expertenberichts hätte
so auch die Überschwemmung von 1954 nicht verhindert werden können.
Dass der Staudamm nur begrenzt wirksam ist, zeigt auch die Tatsache, dass
er keinen Schutz gegen Flutwellen aus den vielen Nebenflüssen des Jangtse
unterhalb der Mauer bietet. Aber gerade aus den Seitengebieten der letzten
1500m vor der Mündung des Jangtse stammen die Hauptwassermassen der jährlichen
Überschwemmungen, der Oberlauf, hingegen, ist nicht entscheidend.
Angeblich würde der Damm den Wasserpegel lediglich um einige cm senken.
Weitere Gefahren, vor denen auch der Drei-Schluchten-Damm nicht gefeit
ist, sind Überspülung und Brechen. Trotzdem gibt es
momentan „keine Alternative zum Damm“.
3.2 Neues Ackerland für die arme Landbevölkerung
3.2.1
Allgemein
Staudämme tragen auch zur Verbesserung der weltweiten Ernährungssituation
bei, da sie für die Bewässerung flussnaher Agrargebiete eingesetzt
werden. Laut einer Studie der World Commission on Dams (WCD) hängen sogar
bis zu 16% der weltweiten Nahrungsmittelproduktion – teilweise sogar
unmittelbar – von Staudämmen ab.
Der Atatürk – Staudamm in der Türkei liefert zum Beispiel durch das
Wasser des Euphrat kostbares Nass für die Bewässerung von etwa 850.000
Hektar landwirtschaftlicher Nutzfläche.
3.2.2 Wasser für
Nordchina und Tibet
Im Falle des Drei-Schluchten-Damms, würden die trockenen Provinzen im
Norden Chinas mit Wasser versorgt werden. Des weiteren gibt es
bereits Überlegungen, ein Kraftwerk von doppelter Größe des
Drei-Schluchten-Projekts in Tibet entlang des Brahmaputra zu errichten.
Das Wasser aus dem dadurch entstehenden Stausee soll dann vom tibetischen
Plateau 800 km nach Norden transportiert werden um die zunehmend trockener
werdenden Nordprovinzen (wahrscheinlich aufgrund der globalen Erwärmung)
zu bewässern.
3.3 Förderung der Binnenschifffahrt
3.3.1
Die Bedeutung des Jangtse
Der Jangtse, der 70% des Binnenverkehrs Chinas unterstützt, ist die
Hauptverkehrsader des Landes schlechthin. Lebensmittel, Industriegüter
– die Palette der Waren, die rund um die Uhr auf dem Fluss transportiert
werden ist groß.
Früher
bedeutete es aber ein immenses Wagnis für die Schiffe, den Jangtse
entlang zu fahren, da durch Untiefen, Riffe und teilweise 900m hohe Felsen
die Gefahr eines Unfalls äußerst groß war. In den 50er Jahren wurden
deshalb die gefährlichsten Stellen entschärft: Untiefen wurden
ausgebaggert, Riffe und Felsnasen wurden gesprengt.
3.3.2
Vorteile für die Schifffahrt
Durch den Drei-Schluchten-Damm wird nun einwandfreier Binnenverkehr bis
zur Stadt Chongking (600km vor der Staumauer), dem Haupthafen am Jangtse,
ermöglicht, da durch die erhöhten Wasserstände auch erheblich größere
Schiffe als bislang den Fluss völlig gefahrlos befahren können. Damit
soll der bisherige Schiffstransport verfünffacht werden. Ermöglicht
werden soll dies mit Hilfe eines Hebewerks aus insgesamt fünf
Schleusenanlagen.
3.3.3
Negative Aspekte
Die Problematik besteht nicht nur darin, dass ein Hebewerk von solcher Größe
noch nie gebaut wurde, wenn auch nur eine der Schleusen versagt steht der
ganze Verkehr still.
Ein weiterer großer Nachteil den die bessere Passierbarkeit des Jangtse
mit sich bringt ist, dass die Lotsen sowie die „Treidler“, die früher
die Schiffe per Hand durch die Jangtse – Schluchten zogen, somit
bedeutungslos werden und ihre Arbeitsplätze verlieren.
Ein weiteres Problem könnte durch die Sedimentierung am hinteren Ende des
Stausees vor allem während der trockenen Jahreszeiten entstehen, weil
dadurch große Schiffe in diesem Gebiet nicht anlegen können.
3.4 Energie
3.4.1
Allgemeine Daten zur Energie
Obwohl es bis zur kompletten Fertigstellung des Kraftwerks am Jangtse noch
mindestens 17 Jahre dauern wird, will man den ersten Teil der Anlage
bereits 2004 in Betrieb nehmen und mit 14 der insgesamt 26 Turbinen zirka
11.000 MW Strom erzeugen. Nach Ende der Bauarbeiten kann das gigantische
Wasserkraftwerk mit seinen 26 Turbinen bei optimaler Auslastung etwa
18.200 Megawatt an Leistung (~ 84,68 kWh pro Jahr) produzieren – ein
Neuntel des gesamten Energiebedarfs Chinas.
Zum
Vergleich: Das größte bereits arbeitende Wasserkraftwerk, das Itaipú
Binacional, hat im Gegensatz zum Drei-Schluchten-Damm eine Leistung von
etwa 10.000 MW und erzeugt somit um die 25% der gesamten benötigten
Energie Brasiliens. Das Kraftwerk am Assuan-Staudamm am Nil bringt,
hingegen, nur ein Achtel der Leistung des chinesischen Superdamms
zustande.
3.4.2
Bessere Stromversorgung für China
Die Energiegewinnung betreffend ist das Ziel des Damms die
unterentwickelte Stromproduktion in Zentralchina zu unterstützen und der
aufstrebenden Industrie und den rasant wachsenden Großstädten Chinas die
Unmengen an benötigter elektrischer Energie zu liefern. Denn pro Jahr wächst
der Strombedarf der Chinesen um etwa 15.000 MW an Kraftwerksleistung.
Durch die verbesserte Stromversorgung erhofft man sich vor allem in der
Region Sandouping eine rasche Industrialisierung, was den Damm für das
„Industrialisierungsprogramm“ der Regierung äußerst wichtig
erscheinen lässt.
Auch für den Norden Chinas ist das Kraftwerk von großer Bedeutung, da
durch die dort herrschende Energieknappheit das Industriewachstum
behindert wurde.
Um die im Drei-Schluchten-Kraftwerk produzierte Energiemenge mit Hilfe von
Kernspaltung zu erzeugen, würde man zahllose Atomkraftwerke benötigen, mit
fossilen Brennstoffen betriebenen Kraftwerke andererseits, würden
unvorstellbare Mengen an Treibhausgasen erzeugen. In Zeiten des
Treibhauseffekts und den daraus resultierenden, zunehmenden Klimaveränderungen
(Globale Erwärmung), fallen diese Vorteile des Drei-Schluchten-Damms
besonders ins Gewicht und lassen den Dammbau als ökologisch äußerst
wertvoll erscheinen.
3.4.3 Bedenken
Für eine
optimale Stromausbeute darf der Wasserstand des Stausees die 175m–Marke
nicht unterschreiten d.h. wenn bei einer Katastrophenwarnung der
Wasserpegel auf 145m reduziert werden muss, wird die Stromproduktion gehörig
in Mitleidenschaft gezogen – der Gewissenskonflikt der Dammbetreiber ist
vorstellbar.
Des weiteren wurden die Auswirkungen von Dürren und anderen
Naturereignissen auf die Stromproduktion nicht berücksichtigt.
3.5 Arbeitsplätze
Dadurch, dass für die Schaffung neuen Baulandes durch Rodung von Wäldern
(25.000 Arbeitsplätze) und an der Dammbaustelle selbst unzählige
Arbeitskräfte benötigt werden (allein für die 1. Bauphase wurden 7000
Menschen angestellt), hat der Drei-Schluchten-Damm sehr positive
Auswirkungen auf die Arbeitsplatzsituation .
3.6 Auswirkungen auf den Tourismus
Vor allem in Nordamerika und Europa ist der Tourismuseffekt von Stauseen
ein wichtiges Argument der Dammbefürworter. Die Tourismusinfrastruktur,
die sich an vielen Seen bildet und ihren Besuchern viele Freizeitaktivität
bietet, stellt oft eine wichtige Einnahmequelle der Region dar.
4.
Nachteile des Drei-Schluchten-Damms
4.1 Auswirkungen auf die Siedlungsgeographie
4.1.1
Umsiedlung
Nach
offiziellen Angaben müssen ungefähr 140 Städte und Dörfer, 1600
Fabriken und insgesamt mehr als 1,13 Millionen Menschen dem Stausee am
Jangtse weichen, wobei die schätzungsweise 10.000 Personen, die sich
illegal in den Slums dieser Städte aufhalten noch nicht inkludiert sind.
Manche Experten schätzen sogar, dass bis zu zwei Millionen Menschen ihre
Heimat aufgrund des Mammutprojekts verlassen müssen. Da in den kommenden
Jahrzehnten auch mit einer gewissen Versandung des Sees gerechnet werden
muss, scheint die Aussiedlung einer weiteren halben Million Menschen fast
unausweichlich.
Dass die Umsiedlungen meist das größte Problem bei Staudammprojekten
sind, wird durch den Drei-Schluchten-Damm einmal mehr bestätigt, da die
Chinesen nur zaghaft umsiedeln. Es ist geplant, dass jede Nachbarprovinz
der betroffenen Regionen mindestens 10.000 Menschen aufnehmen soll. Die
beiden größten Städte, die den Umsiedlungen zu Opfer fallen werden,
sind Wanxian und Fuling. Die Bewohner werden höchst wahrscheinlich auf höheren
Bergebenen angesiedelt werden.
Allgemein schätzt man, dass bisher weltweit etwa 60 – 80 Millionen
Menschen durch Staudammprojekte vertrieben wurden – und jährlich kommen
etwa zwei Millionen dazu. Die Zahl der Chinesen, die seit der Gründung
der Volksrepublik von solchen Maßnahmen betroffen waren, beläuft sich
auf etwa 10 Millionen Menschen.
Eigentlich müssten pro Megawatt an Kraftwerkskapazität in China doppelt
so viele Menschen umgesiedelt werden, wie es im Rahmen des
Drei-Schluchten-Damms der Fall ist. Da das Jangtse-Tal aber zu den
fruchtbarsten Gebieten des Landes zählt und die Menschen von
–insbesondere was den landwirtschaftlichen Nutzungsgrad und die
Bodenqualität angeht – reichen in ärmere Regionen umziehen müssen,
werden rund fünfmal so große Flächen benötigt, um die
landwirtschaftliche Produktion des Tals auch nur annähernd ersetzen zu können.
Großteils wird nur minderwertiger Ersatz für die verlorenen Gebiete
offeriert werden können. Dies trifft vor allem die Landwirtschaft, da die
neuen, eher steilen und trockenen Flächen nur schwer bebaubar sind.
„Sieg oder Niederlage diese Damms messen sich daran, wie gut wir die
Frage der Umsielung lösen können.“ (Li Peng)
4.1.2
Kolonialisierung
Umsiedlungsprojekte
werden in China immer wieder dazu genützt, die dominierende Han-Bevölkerung
in Regionen mit ethnischen Minderheiten, wie zum Beispiel Tibet oder
Xinjiang, anzusiedeln. Nach Angaben der chinesischen Zeitung „China
Daily“ aus dem Jahre 1993, wären auch im Rahmen des
Drei-Schluchten-Projekts solche Kolonialisierungen geplant. Ein konkretes
Beispiel ist die Stadt Xinjiang: Nachdem die vormals überwiegend
muslimische (uigurische) Bevölkerung der Stadt bereits seit 1949 durch
systematische Han-Zuwanderung zu einer Minderheit gemacht wurde, sollen
nun wieder rund 470.000 Menschen nach Xinjiang umgesiedelt werden. Obwohl
diese Meldung von der Regierung sofort heftigst dementiert wurde, bleibt
der Kolonialisierungsverdacht bestehen.
4.1.3
Regionale Ungleichgewichte
Die
rapide Industrialisierung Chinas in den letzten Jahrzehnten, hat zu
massiven Spannungen zwischen den florierenden östlichen Provinzen und dem
eher rückständigen Westen des Landes geführt. Der Drei-Schluchten-Damm
wird dieses Ungleichgewicht noch verstärken. Die reiche Provinz Hubei am
Unterlauf des Jangtse wird in Form von Stromlieferungen und durch die
verbesserte Flusskontrolle am stärksten vom Kraftwerk profitieren,
wohingegen die ärmliche Provinz Sezuan durch Umsiedlungen in ein Gebiet
mit erhöhtem Überschwemmungsrisiko am Oberlauf des Flusses am meisten
benachteiligt sein wird.
4.2 Zerstörung historischer Stätten
Die 204 km lange Naturlandschaft der „Drei Schluchten“, mit über
hundert historischen Stätten, darunter sogar 5000 Jahre alte Gräber, ist
nicht nur von ihrem kulturellen Wert her bemerkenswert, sondern stellt
auch die touristische Attraktion Chinas schlechthin dar.
Nachdem dieses Gebiet im Zuge des Staudammprojekts geflutet werden soll,
ist die Zerstörung vieler historischen Stätten unvermeidlich. Insgesamt
werden 39 Kultur- und Landschaftsplätze, das sind 13% der Sehenswürdigkeiten,
in den Fluten verloren gehen, nur einige wenige Teile werden erhalten
bleiben. Die Projektverantwortlichen haben aber auch für diesen Einwand
zum Damm eine technische Lösung parat: Ein Teil der Stätten sollen
demnach aus dem Stauseebereich entfernt werden, der Rest für zukünftigen
Tauchtourismus präpariert werden. Somit würden 37 neue Sehenswürdigkeiten
mit 15 Karsthöhlen und 14 Inseln geschaffen werden.
Ein weiterer „Vorteil“ des Drei-Schluchten-Damms sei, dass der Zugang
zu den Kleinen Drei Schluchten dadurch einfacher würde.
Obwohl die Sinnhaftigkeit dieses Vorhabens stark bezweifelt wird, zeigen
sich die chinesischen Behörden zuversichtlich und sind fest davon überzeugt,
dass „der Charme der Schluchtenlandschaft nach der Vollendung des
Damms bleiben und sogar noch großartiger werden wird.“
4.4 Auswirkungen auf die Ökologie
Trotz der Tatsache, dass die Nutzung der Wasserkraft des Jangtse
umweltfreundlicher als das Verbrennen fossiler Brennstoffe oder die
Gewinnung von Energie durch Atomkraftwerke ist, überwiegen gemäß einem
Umweltgutachten der chinesischen Akademie der Wissenschaften die Risiken
des Drei-Schluchten-Projekts deutlich gegenüber seinem Nutzen.
4.4.1
Trinkwasser
Obwohl
offizielle Stellen das Image des Drei-Schluchten-Projekts des öfteren mit
der Behauptung aufzubessern versuchen, der Stausee am Jangtse könnte die
trockenen Regionen Nordchinas mit Trinkwasser versorgen, muss erwähnt
werden, dass solche Wasserleitungen nur gebaut werden könnten, wenn der
Damm eine Höhe von mindestens 200 hätte. Diese Pläne wurden aber
bereits Ende der fünfziger Jahre aufgegeben. Bei der momentan geplanten Höhe
von 185m ist die Entnahme von Trinkwasser nicht möglich.
4.4.2
Jangtse Flussdelphin
Staudämme
sind vielfach für enormes Artensterben in Flüssen verantwortlich – so
auch in China. Bis vor wenigen Jahren, waren sich nicht einmal die
Chinesen selbst bewusst über die Tatsache, dass die sumpfigen Wasser des
Jangtse der Lebensraum der bedrohten Flussdelphinart „Baiji“ (weißer
chinesischer Flussdelphin) ist. Konnten diese Tiere früher ihre
Lebenszeit ohne Gefahren und Feinde verbringen, so müssen sie jetzt mit
der zunehmenden Industrialisierung Chinas und ihren Folgen – giftigen
Chemikalien aus Fabriken, Lärm der Schiffe, Überfischung – kämpfen.
Bis der Fang und der Verkauf dieser Tiere endlich verboten wurde, stellten
auch das Dynamitfischen und Fischtechniken mit Elektroschock eine große
Gefahr für den Baiji dar, das größere Problem ist aber zweifellos die
Industrie.
Durch den Bau des Drei-Schluchten-Kraftwerks wird der Lebensraum der
Delphine endgültig zerstört werden, da die für den Baiji überlebensnotwendigen
Nahrungsfische aus ihren ursprünglichen Laichplätzen vertrieben werden.
Diese Störung des ökologischen Gleichgewichts wird langfristig auch für
den chinesischen Flussdelphin das „Aus“ bedeuten. Deshalb wird
versucht, ein Reservat für die Tiere anzulegen, das sie hoffentlich
annehmen.
4.4.3
Treibhausgase
Beim
Füllen von Speicherseen werden meist gewaltige Flächen unter Wasser
gesetzt wobei Pflanzen, Tiere und sogar Dörfer unter den Wassermassen
begraben werden. Die Biomasse, die im See zerfällt, hat enorme
Auswirkungen, da eine große Menge an Methan, einem der gefährlichsten
Treibhausgase, freigesetzt wird.
In Balbina (Brasilien) wurden somit durch das dortige Wasserkraftwerk acht
mal mehr Triebhausgase erzeugt als ein Kohlekraftwerk gleicher Leistung
erzeugen würde.
Die World Commission on Dams betont aber, dass dieser Aspekt auf den
jeweiligen Damm ankommt und auch fast vollkommen fehlen kann.
4.4.4
Auswirkungen auf die Ökosysteme entlang der Flüsse
Durch die geringen Sedimentablagerungen kann es zu Erosionsschäden
im Küsten- und Mündungsbereich kommen.
Durch den Damm werden weniger Nährstoffe in den Mündungsbereich
transportiert wodurch viele Meerstiere ihre Nahrungsgrundlage verlieren.
Die Auswirkungen auf die Fischindustrie sind gewaltig.
Die Ökosysteme entlang der Flüsse sind an die regelmäßigen Überschwemmungen
angepasst bzw. sogar darauf angewiesen. Ohne sie fehlt der benötigte
Wasser- und Nährstoffnachschub was zum Beispiel die Austrocknung der
Feuchtgebiete nach sich ziehen kann.
Durch die Giftstoffe aus den Müllhalden der überfluteten Städte
kann es zu einer Verseuchung des Ökosystems und des Ackerlandes kommen.
Durch den veränderten Zustand des Wassers, vor allem was Strömungsgeschwindigkeit
und Temperatur betrifft, wird die Existenz vieler Fischarten bedroht.
4.5 Auswirkungen auf die Landwirtschaft
In den Gebieten um den Jangtsekiang werden zwei Drittel des chinesischen
Getreides und 30% der Baumwolle Chinas produziert.
Durch das Fehlen der regelmäßigen Überflutungen des Schwemmlandes des
Jangtsekiang fallen auch die fruchtbaren Sedimentablagerungen aus, wodurch
die Bodenfruchtbarkeit und somit auch die Produktivität der
Landwirtschaft sinkt. Um das zu kompensieren ist vermehrter Einsatz von
Kunstdünger nötig – die Bauern werden von chemischen Düngemitteln abhängig.
Das wiederum kann sich in Umweltproblemen und Trinkwasserverschmutzung
zeigen.
Ähnlich Schwierigkeiten treten am Assuan-Staudamm in Ägypten auf, da jährlich
10 Millionen Tonnen fruchtbarer Sedimente ersetzt werden müssen.
4.7 Erdbeben – Bruch des Damms
Der Damm liegt im Bereich einer Bruchstelle in der Erdkruste, wo die
Indische und die Asiatische Platte zusammen stoßen. Ein Erdstoß mit 7,0
auf der Richterskala unter dem Hauptdamm oder in seiner Nähe kann zu
schwerwiegenden statischen Problemen oder sogar zum Einsturz führen.
Sollte Letzteres eintreten sind nicht nur 100 Millionen Menschen den
Wassermassen schutzlos ausgeliefert, manche Experten nehmen sogar an, dass
durch die plötzliche Verschiebung der Wassermassen eine Verschiebung der
Erdachse folgen könnte.
4.8 Militärisches Sicherheitsrisiko
Durch die unvorstellbaren Auswirkungen bei einem Bruch des Damms oder auch
bei einer schwereren Beschädigung, ist China durch dieses Projekt militärisch
erpressbar.
4.6 Krankheiten
Vor allem im Bereich der Tropen und Subtropen kommt es durch Stauseen oft
zu einer Zunahme an Krankheiten wie Malaria, da sich die Erreger dieser
Erkrankungen mit Vorliebe an stehenden Gewässern aufhalten. Ein Stausee
bietet natürlich optimale Bedingungen für ihre Entwicklung und
Fortpflanzung.
5.
Probleme des Drei-Schluchten-Projekts
5.1
Korruption
Schmuggel, Steuerhinterziehung, Devisenvergehen, Fälschungen,
Produktpiraterie, Betrug im Banken- und Finanzsektor – die Liste der
Korruptionsvergehen beim Drei-Schluchten-Projekt scheint endlos. Obwohl
der chinesische Regierungschef Zhu Rongji mit allen Mittel gegen korrupte
Funktionäre im Partei- und Staatsapparat vorgeht, wird die Zahl der Betrüger
und die erbeuteten Summen immer höher. Momentan laufen Ermittlungen gegen
125 Kader, die sich beim Bau des Staudamms am Jangtse, insbesondere bei
der Zwangsumsiedlung der Bevölkerung, bereichert haben sollen.
5.2
Technische Probleme
Auf Einladung der Three Gorges Development Corporation besuchte eine
Delegation von Fachleuten im Oktober 1997 die Dammbaustelle am Jangtse und
wiesen auf folgende technische Probleme des Drei-Schluchten-Projekts hin.
5.2.1
Stabilität der Seitenflanken
Laut
dem Bericht der Fachleute ist die Seitenflanke des Schleusenkanals
instabil, was darauf hinweist, dass die Festigkeit des Granituntergrunds
überschätzt wurde. Dadurch besteht das Risiko, dass mehr Wasser als
erwartet unter dem Staudamm durchsickert, was zu einer Beschädigung des
Fundaments führen kann. Aufgrund der Instabilität könnte der Staudamm
von Erdrutschen und Steinschlägen betroffen werden, was vor allem
Sicherheitsprobleme für die Schifffahrt bewirken könnte.
5.2.2
Sedimentierung
Mit
einer jährlich mitgeführten Menge von 680 Millionen Tonnen Sedimenten
gehört der Jangtse zu den geladensten Flüssen der Erde – ein nahezu
unglaublicher Wert, der sich in den letzten Jahren durch die
unkontrollierte Abholzung von Wäldern aus Zwecken der Land- und
Brennstoffgewinnung um 30% erhöht hat. Dass somit bereits 40% der
Jangtse-Region von Erosion betroffen ist, stellt – wie auch bei vielen
anderen chinesischen Dämmen – für den Drei-Schluchten-Damm ein großes
Problem dar, da oft 14% - 50% des Stauraums durch Sedimente verloren
gehen.
Da keine kleineren Dämme zur Vorlagerung der Sedimente gebaut wurden,
muss damit gerechnet werden, dass durch die verlangsamte Fließgeschwindigkeit
des Jangtse 70% der mitgeführten Sedimente hinter dem Damm zu liegen
kommen werden. Das hat drei schwerwiegende Folgen:
Der Damm kann durch die riesigen Mengen an Ablagerungen schwer
geschädigt werden.
Da durch die zunehmende Versandung des Stausees die Speicherkapazität
sinkt, kann bei Flutereignissen eine nicht so große Menge an Wasser
aufgenommen werden, wie eigentlich geplant ist.
Der Jangtse wird versuchen die verlorenen Sedimente durch Erosion
des Flussbetts und der Uferböschungen im Unterlauf zurückzugewinnen,
wodurch in den ersten zehn Jahren einige Meter an Material abgetragen
werden. Ein gutes Beispiel ist in diesem Zusammenhang der Hoover-Damm
(USA), wo sich der Fluss in den ersten Jahren nach seiner Inbetriebnahme
vier Meter in das umliegende Gestein eingegraben hat.
5.2.2.1
Sedimentierungskontrolle
Da der Stausee des Drei-Schluchten-Kraftwerks ohne Eingreifen innerhalb
der nächsten 50 Jahre zu 50% versandet sein wird, überlegt man, eine
Mehrzweckanlage wie am Huang-He, dem Fluss der weltweit die meisten
Sedimente transportiert, zu bauen. Eine solche Anlage dient neben der
Hochwasserkontrolle und der Wasserversorgung auch dem Sedimentmanagement.
Durch Tunnel und tiefliegende Durchlässe kann während der Hochwasserzeit
eine große Menge an schlammigem Wasser aus dem Stausee entfernt werden
kann.
Einige Experten beharren trotzdem auf der Theorie, dass durch die niedrige
Wassermenge und den schnellen Durchfluss am Beginn der Flutperiode das
Problem auch ohne eine Mehrzweckanlage in den Griff bekommen werden kann.
5.2.3
Sicherheit des Fangdamms
Im
Jahr 1998 wurden die ursprünglichen Dämme zur Umleitung des Jangtse, die
den Bau des eigentlichen Kraftwerks erst ermöglichten, durch einen
hochwassertauglichen Fangdamm ersetzt, der jedoch einige Mängel aufweist.
Der Damm besteht hauptsächlich aus zersetztem Granit, also nicht
übermäßig stabilem Material, der lediglich durch eine einen Meter dicke
Mauer abgesichert ist.
Er kann nur einer bestimmten Flutstärke Stand halten. Da diese
maximale Flutstärke aber statistisch gesehen alle 50 Jahre einmal übertroffen
wird und der Fangdamm sechs Jahre lang gebraucht wird, besteht ein Risiko
von 1:8, dass eine für den Damm zu gewaltige Flut eintritt. Dieses Risiko
nimmt mit der Verzögerung der Bauarbeiten sowie mit der Sedimentierung
des Fangdamms zu.
Für den Fall, dass eine derartige Katastrophe wirklich eintritt, müsste
die Baustelle vorsorglich überflutet werden, was eine weitere Verzögerung
der Bauarbeiten um mindestens ein Jahr bedeuten würde.
Obwohl der Fangdamm als „sehr verletzlich selbst für Erdbeben
von mäßiger Stärke“ gilt, wurden beim Bau keine seismischen
Kriterien berücksichtigt.
5.2.4
Qualität von Turbinen und Generatoren
Teilweise
werden die im Drei-Schluchten-Kraftwerk eingesetzten Maschinen von ausländischen
Firmen geliefert, einige Geräte werden aber von den Chinesen selbst
erzeugt. Das Problem besteht nun darin, dass die Turbinen eine Kapazität
von 700 MW erfordern, in China aber bisher nur Geräte mit höchstens 300
MW hergestellt wurden. Die Qualität der chinesischen Großturbinen ist
also fraglich.
5.3
Finanzen
Die Finanzierung des Drei-Schluchten-Projekts ist nach wie vor ungelöst.
Laut der verantwortlichen Projektbehörde werden rund 3 Milliarden Dollar
an Auslandskapital gebraucht, alle bisherigen Versuche, auf direktem Weg
Geld für das Projekt zu beschaffen, sind aber gescheitert. Deshalb
versucht man nun durch die Zwischenschaltung der chinesischen State
Development Bank interessierte Investoren von öffentlicher Kritik
abzuschirmen und so an Kapital für den Bau zu kommen. Die Gesamtkosten
des Kraftwerkbaus werden auf unglaubliche 24.5 Milliarden Dollar geschätzt.
6.
Alternativen
Mögliche
und auf jeden Fall weniger risikoreiche Alternativen zum
Drei-Schluchten-Damm wären zum Beispiel Solar- und Windenergieanlagen,
die weitaus weniger Auswirkungen auf die Umgebung haben würden. Auch
durch die Hintereinanderschaltung mehrere kleinerer Staudämme könnte man
China mit bei weitem weniger Bauschwierigkeiten und einem kleineren Risiko
mit Energie versorgen. Ein Abbruch der Bauarbeiten am
Drei-Schluchten-Projekt ist für die kommunistische Regierung aber
trotzdem nicht vorstellbar
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